Onlineversion des Informationsblatt der Magdeburger Straßenbahnfreunde e.V.
Postfach 3611 - 39011 Magdeburg   •   Nr. 06 / 2010   •   Redaktionsschluss: 08.06.2010

Themen

· • Der Stein, den die Bauleute verworfen hatten
· • Erfolgreiche AHN-Tagung in Stuttgart
· • Kleine Straßenbahnen europaweit in Bremen
· • Übernahme aus Rostock


Ulrichskirche

• Der Stein, den die Bauleute verworfen hatten

Im Winter 1955/56 war dieser Straßenbahnzug der Linie 4 mit einem Niesky´er Triebwa-gen und einem Danziger Beiwagen in Richtung Cracau bereits auf der neuen Trasse durch die damalige Wilhelm-Pieck-Allee (Ernst-Reuter-Allee) unterwegs, die am 16. Dezember 1955 als Ersatz für die bisherige Streckenführung durch die Alte Ulrichstraße (unmittelbar links neben der Kirche) in Betrieb genommen werden konnte. Da die nur relativ leicht beschädigte Kirchenruine von Sankt Ulrich und Levin auf persönliche Wei-sung von Walter Ulbricht bereits am 5. April 1956 gesprengt wurde, läßt sich dieses sehr interessante Foto, das wir dankenswerterweise den Internetseiten vom Kuratorium zum Wiederaufbau der Ulrichskirche entnommen haben, zeitlich relativ genau datieren.

Erste Pläne für eine durchgehende West-Ost-Achse vom mittelalterlichen Ulrichstor bis zur Elbe wurden bereits kurz nach 1631 durch Otto von Guericke veröffentlicht, wenn-gleich sie beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Dreißigjährigen Krieg vorerst noch nicht verwirklicht werden konnten. In den frühen 50er Jahren, als Magdeburg nach den verheerenden Bombenangriffen vom 16. Januar 1945 erneut in Schutt und Asche lag, griffen die damaligen Stadtplaner diese uralten Pläne wieder auf, wobei sie für die exakte Ausrichtung der neuen West-Ost-Straße die nördliche Längsseite der zum Wiederaufbau vorgesehenen Ulrichskirche anhielten. Mit einem leichten Bogen wurde anschließend in Höhe vom späteren Rostocker Fischladen die Achse der früheren Großen Weinfaßstra-ße erreicht, wo – wenn auch am rechten Bildrand nicht mehr erkennbar – noch relativ lange einige erhalten gebliebene Häuser aus dem alten Magdeburg standen. Erst Ende der 60er Jahre wurde an dieser Stelle der sog. „Blaue Bock“ errichtet, der als reiner „Lückenfüller“ von Anfang an nie so recht in die durchaus epocheprägende Nachkriegs-architektur der heutigen Ernst-Reuter-Allee hinein passen wollte. Als Südseite der ge-planten platzartigen Erweiterung in der „Neuen Mitte Magdeburgs“ sollte dabei die histo-rische Straßenflucht der Alten Ulrichstraße angehalten werden. Ferner sah die Planung an der Otto-von-Guericke-Straße zwei sog. Punkt- oder Torhäuser vor, um somit den Eingang von der mittelalterlichen Westgrenze der Altstadt zu markieren und den Blick auf die künftig in der Mitte des Platzes befindliche Ulrichskirche gewissermaßen einzu-rahmen. Hier standen offensichtlich die Planungen von Prof. Henselmann Pate, der solche punktförmigen Torhäuser auch beim Aufbau der Berliner Stalinallee verwirklicht hatte; (siehe Frankfurter Tor bzw. Strausberger Platz).

Auf unserem Foto sind diese ursprünglichen Planungsansätze an Hand der bereits fertig gestellten nördlichen Bebauung von der sog. „Weinarkade“ bis zum ehemaligen Rostocker Fischladen sehr deutlich zu erkennen. Die Gebäude auf der Südseite mit dem sog. „Haus Schöner Wohnen“ und der späteren Ratsapotheke waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet worden, was Ulbricht dann auch dazu veranlasste, den Magdeburger Stadtplanern neben der Sprengung einer „nicht in ein sozialistisches Stadtbild passenden Kirche“ auch eine wesentliche Verschiebung der südlichen Bebauungsflucht in südöstlicher Richtung anzuraten. Diesen „klugen Ratschlag“, der letztendlich dazu führte, dass die beiden Bebauungsfluchten der heutigen Ernst-Reuter-Allee wie ein nicht enden wollender offener Trichter in Richtung Osten auseinander laufen, begründete der damalige SED-Parteichef mit den Worten, man brauche viel (sehr viel) Platz für die Kampfdemonstrationen der Arbeiterklasse.

Es ist keineswegs unsere Absicht, mit dem vorliegenden Beitrag eine weitere Wortmeldung für oder gegen einen möglichen Wiederaufbau der Ulrichskirche in den Ring zu werfen, da die Meinungen zu diesem viel diskutierten Thema auch unter unseren eigenen Vereinsmitgliedern sehr weit auseinander gehen.

Vielmehr wollen wir die historischen Zusammenhänge an dieser Stelle ein wenig ins rechte Licht rücken, die leider von sehr vielen Zeitgenossen - oftmals aus Unkenntnis und leider auch von so manchen sog. Fachleuten – immer wieder völlig sinnentstellt wiedergegeben werden. Ohne Frage hätten die Planungen für den Neuaufbau der Magdeburger Innenstadt in den frühen 50er Jahren anders ausgesehen, wenn die Ulrichskirche nicht (mehr) an dieser Stelle gestanden hätte. In Wahrheit war aber der Stein, den die Bauleute (später) verworfen hatten, zum Eckstein geworden, wie es schon in der Bibel heißt, um auf diesem Fels etwas völlig Neues zu errichten. Dieser sprichwörtliche Fels liegt übrigens in Form der alten Fundamente noch heute unter dem grünen Rasen der Ernst-Reuter-Allee im Verborgenen. Ihn (endlich) wieder frei zu legen, um somit eine Zeitreise weit zurück zu den Ursprüngen unserer über 1000-jährigen Geschichte zu beginnen, ist sicherlich der Mühe wert. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Ulrichskirche bis zu ihrer sinnlosen Sprengung neben dem Dom übrigens das am häufigsten fotografierte sakrale Bauwerk in unserer Stadt.


• Erfolgreiche AHN-Tagung in Stuttgart

Zur diesjährigen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Historischer Nahverkehr (AHN) im vom 22. bis 25. April in Stuttgart konnten insgesamt 115 Teilnehmer aus 44 Vereinen sowie aus neun verschiedenen europäischen Nationen begrüßt werden. Unter dem Leitgedanken „Baustelle Museum“ stellten die Stuttgarter Straßenbahnfreunde als gastgebender Verein ihr neues Straßenbahnmuseum in Bad Cannstadt vor. Diskussionsbeiträge zur Frage der Museumsarbeit im historischen Nahverkehr kamen zu diesem Thema u. a. aus Nürnberg, aus München, aus Hannover, aus Zürich (Schweiz), aus Skjoldesnasholm (Dänemark), sowie aus den neuen Bundesländern aus Chemnitz und aus Frankfurt/Oder, wobei einhellig zum Ausruck kam, dass es ein Standardkonzept eigentlich nirgendswo gibt. Viele Vereine leben auch heute noch mit sog. Dauerprovisorien, die nicht unbedingt dazu beitragen, eine entsprechende Sammlung auch öffentlich erfolgreich zu präsentieren. Erfolgskonzepte gibt es vor allem dort, wo die sog. „Chemie“ in der Zusammenarbeit zwischen Verein und Verkehrsbetrieb stimmt und wo man es auch verstanden hat, konstruktive Partner im Territorium zu finden. Im Jahre 2011 wird die nächste AHN-Jahrestagung in Turin (Italien) statt finden. Für das Jahr 2012 liegt eine Bewerbung des Vereins „Linie D“ in Düsseldorf vor. An dieser Stelle auch von uns an die Veranstalter nochmals ein herzliches Dankeschön für die gelungene Ausrichtung der diesjährigen Tagung.


• Kleine Straßenbahnen europaweit in Bremen

Mit erneut ca. 145 Teilnehmern ist die einst von der AHN (und nicht zuletzt auch von den Magdeburger Straßenbahnfreunden) ins Leben gerufene Parallelveranstaltung „Kleine Straßenbahn ganz groß“, sowohl hinsichtlich der Teilnehmerzahlen, als auch hinsichtlich ihrer Qualität und Ausstrahlungskraft inzwischen längst gegenüber den großen alljährlichen AHN-Tagungen „auf gleicher Augenhöhe“ angekommen. So war es in diesem Jahr nach Halle (2 x), Berlin, Plauen, Schwerin und Nürnberg bereits die siebente derartige Veranstaltung, zu der die Bremer Straßenbahnfreunde und der dortige Verein „Club Linie 11“ gemeinsam mit der BSAG ihre große Wagenhalle im Straßenbahndepot Sebaldsbrück dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hatten. Neben vielen „alten Bekannten“ waren in diesem Jahr auch zahlreiche „neue Gesichter“ aus dem In- und Ausland dabei, da sich die „kleine Straßenbahn ganz groß“ als richtungsweisende Veranstaltung sowohl bei Vereinen, Herstellern und Händler, als auch bei Journalisten und interessieren Einzelpersonen inzwischen vielerorts herumgesprochen hat. Die achte Veranstaltung unter diesem Motto wird 2011 in Erfurt stattfinden. Ein Bewerber für 2012 wird noch gesucht.


• Übernahme aus Rostock

In der letzten Aprilwoche wurde aus Rostock der ehemalige Arbeitstriebwagen 557 vom Typ LOWA ET 54 / Baujahr 1955 übernommen. Das Fahrzeug diente in der Ostseestadt seit 1976 als Werkstattwagen und soll in Magdeburg die historische Fahrzeugsammlung ergänzen, da von diesem markanten Wagentyp in unserer Stadt leider kein einziger Vertreter erhalten geblieben ist. Die museale Aufarbeitung wird in der Hauptwerkstatt Herrenkrugstraße im Rahmen einer weiteren Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erfolgen.


Terminvorschau 2010

13.08. Vereinsabend der Magdeburger Straßenbahnfreunde

21.08. Tag der offenen Tür beim O-Bus in Eberswalde

18./19.09.Hafenfest / Wir suchen dazu noch aktive Mitstreiter!!!

01./03.10. „Modell-Hobby-Spiel“ in Leipzig

08.10. Vereinsabend der Magdeburger Straßenbahnfreunde

22./24.10. Modellbahnausstellung im ArtDepot

10.12. Vereinsabend der Magdeburger Straßenbahnfreunde

14./17.04.2011 AHN-Tagung in Turin

28./29.05.2011 Kleine Straßenbahn ganz groß in Erfurt

Fett Ausstellung mit vsl. Teilnahme der Magdeburger Straßenbahnfreunde


Beitragszahlungen 2010

Wir bitten auf diesem Wege nochmals alle Vereinsfreunde, sofern noch nicht erfolgt, an die noch ausstehenden Beitragszahlungen für das laufende Kalenderjahr zu denken.

Arbeitstage im Hafen

Unsere Arbeitstage im Hafen finden regelmäßig Montags ab 16.30 Uhr und Sonnabends ab 14.00 Uhr statt; vorgesehene Arbeiten: Komplettierung und Werterhaltung an den vorhandenen Modell-Anlagenteilen.

Ansprechpartner:

- Michael Menz Tel.: 0391/ 727 37 48 oder 0171/ 622 52 85
- Michael Götze Tel.: 0179/ 978 20 44
- Christoph Rudhard Tel.: 0511/ 286 20 65

Das Infoblatt gibt der Vorstand der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V. heraus. Das nächste Infoblatt erscheint zum Clubabend am 13.08.2010.

Text und Gestaltung: Christoph Rudhard / Michael Menz
Onlineversion: Andreas Kanter