Onlineversion des Informationsblatt der Magdeburger Straßenbahnfreunde e.V.
Postfach 3611 - 39011 Magdeburg • Nr. 10 / 2011 • Redaktionsschluss: 30.09.2011


Innenaufnahme Lindner Ammendorf Tw. 135(I)
  • Im Glanz einer längst vergessenen Epoche
  • Großer Bahnhof für 90-jährige Vorortbahn
  • Und noch ein runder Geburtstag ...

Im Glanz einer längst vergessenen Epoche

Mit dem Triebwagen Nr. 138 (Baujahr 1915) sowie mit dem weitgehend baugleichen Beiwagen Nr. 300 (Baujahr 1914) verfügt die Stadt Magdeburg heute über einen mustergültig restaurierten - und seit mehr als 10 Jahren auch wieder betriebsfähigen - historischen Straßenbahnzug, der innerhalb der umfangreichen Sudenburger Fahrzeugsammlung ohne Frage einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Waren die recht einfach aufgebauten Fahrzeuge aus der Anfangszeit des elektrischen Betriebes (um 1900) gewissermaßen noch „Pferdebahnen mit Elektroantrieb“, so verkörpern die nur eineinhalb Jahrzehnte später bei der Magdeburger Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft (MSEG) in Dienst gestellten Wagen 138 und 300 bereits weitgehend den klassischen Straßenbahnzug der zweiten Generation, wie er etwa ab Mitte der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts fast überall in Deutschland zum Einsatz kam.

Neben größeren Außenabmessungen und verbesserten Fahrgestellen in Vollwandträgerbauweise waren bei diesen Fahrzeugen vor allem die allseitig geschlossenen Stehperrons mit fest eingebauten Außentüren prägend. Anstelle der oftmals recht spartanischen Inneneinrichtungen mit hölzernen Längsbänken, wie man sie bei den offenen Zwei- und Vierachsern aus der Anfangszeit elektrischer Straßenbahnen kennt, kamen bei den ab dem Jahre 1911 von der Magdeburger Gesellschaft beschafften geschlossenen Zweiachsern erstmals gepolsterte Querbänke zum Einsatz, wobei sich die Rückenlehnen jeweils in Fahrtrichtung umklappen ließen.

Hochwertige Edelhölzer, geschmackvoll gestaltete Wand- und Deckenlampen sowie die verwendeten Messingbeschläge entsprachen dabei dem Zeitgeist eines zu Ende gehenden deutschen Kaiserreiches. Weitgehend erhalten geblieben, bzw. detailgetreu wiederhergestellt, lassen sie noch heute den Glanz einer längst vergessenen Epoche erleben.

Ungeachtet zweier Weltkriege, der schweren Zerstörung unserer Stadt am 16. Januar 1945 sowie der wechselvollen Nachkriegsjahre haben beide Fahrzeuge weit über ein halbes Jahrhundert hinweg bei der Magdeburger Straßenbahn zuverlässig ihren Dienst getan - Triebwagen 138 dabei allein über 39 Jahre hinweg als Fahrschulwagen.

Dank einer Gruppe mutiger und engagierter Straßenbahnfreunde im damaligen Deutschen Modelleisenbahnverband (DMV) konnten beide Zeitzeugen glücklicherweise vor der Verschrottung bewahrt und im Jahre 1977 zum Jubiläum „100 Jahre Magdeburger Straßenbahn“ erstmals wieder auf einer Fahrzeugschau der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Wer allerdings glaubte, dass damit bereits der erste und entscheidende Schritt auf dem Weg zu einer historischen Fahrzeugsammlung in Magdeburg vollzogen war, der sollte schon bald eines Besseren belehrt werden. Fehlende finanzielle Mittel sowie die schwerpunktmäßige Konzentration des Verkehrsbetriebes auf die tägliche Absicherung des öffentlichen Personennahverkehrs unter den Bedingungen der Planwirtschaft führten beide Wagen schon wenig später wieder auf das sprichwörtliche Abstellgleis, wo ihre weitere Zukunft über viele Jahre hinweg ungewiss bleiben sollte.

Dennoch sollten Mut, Geduld und Engagement, gepaart mit so manchen, heute recht abenteuerlich anmutenden Aktionen auf Seiten der Straßenbahnfreunde am Ende belohnt werden: Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten im damaligen DB-Ausbesserungswerk Salbke (vormals RAW) und in der Straßenbahn-Hauptwerkstatt Herrenkrugstraße sowie weitgehend finanziert über Spenden und Lotto-Mittel, kehrten beide Fahrzeuge schließlich im Juli 1999 zur Freude vieler Magdeburger in den öffentlichen Fahrdienst zurück.

Ohne Frage ist eine entsprechende Broschüre über die recht wechselvolle Geschichte der beiden Fahrzeuge bis hin zu ihrer mustergültigen Restaurierung und Wiederindienststellung bereits seit langem überfällig – nicht zuletzt auch deshalb, weil uns Dank intensiver Recherchen von engagierten Straßenbahnfreunden heute ein sehr umfangreiches und detailliertes Faktenwissen zu diesem Thema vorliegt, welches förmlich danach ruft, auch endlich einmal in einer angemessenen Form veröffentlicht zu werden.

Leider konnten die Bemühungen unseres Vereins zur Herausgabe einer entsprechenden Broschüre, die sich über mehrere Jahre hinzogen, bis zum heutigen Tage nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden, so dass ein bereits weitgehend fertig gestelltes Manuskript nun schon seit längerem gewissermaßen „auf Eis“ liegt. Dies soll uns jedoch nicht davon abhalten, die vorliegenden textlichen Aufsätze zunächst einmal auszugsweise in mehreren Folgen über unser Infoblatt – und damit auch über unsere Internetseiten – einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Nach dem die ersten vier Triebwagen Nr. 131 bis 134 im Jahre 1915 in der Waggonfabrik Wismar gebaut wurden, folgten noch im gleichen Jahre die Triebwagen Nr. 135 bis 138 aus der Waggonfabrik Gottfried Lindner in Ammendorf. Dank der freundlichen Unterstützung von Herrn Bläß aus Halle an der Saale liegt uns u. a. diese interessante Innenaufnahme des baugleichen Triebwagens Nr. 135 vor, die wir ursprünglich auch als Titelbild für unsere geplante Broschüre verwenden wollten. Mit diesem Bild wollen wir nun statt dessen an dieser Stelle den Auftakt zu einer größeren Artikelserie geben und hoffen, dass diese Ausführungen auch bei unseren Lesern auf ein reges Interesse stoßen werden. — Im Namen der Autoren: Christoph Rudhard.


Großer Bahnhof für 90-jährige Vorortbahn

Zum Tag der offenen Tür, zu dem die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) in diesem Jahr am 10.September in das Depot Westerhüsen (Betriebshof Südost) eingeladen hatten, erlebten die zahlreich angereisten Besucher bei wunderschönem spätsommerlichem Wetter ohne Frage ein Straßenbahnfest der Spitzenklasse, wie es unsere Stadt schon seit langem nicht mehr gesehen hatte.

Grund zum Feiern gab es gleich im mehrfacher Hinsicht: Vor (fast) 100 Jahren (1912) wurde das Unternehmen der Magdeburger Vorortbahnen gegründet … vor 90 Jahre (1921) konnte nach schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren endlich der erste Teilabschnitt der Vorortbahn zwischen Wasserwerk Buckau und Westerhüsen (später Linie 12) mit dem neu erbauten Straßenbahndepot an der südöstlichen Stadtgrenze in Betrieb genommen werden … und vor 10 Jahren (2001) erfolgte schließlich die Eröffnung des heutigen Straßenbahnbetriebshofes Südost als Ersatzneubau für das alte Vorortbahndepot, der neben modernen Instandhaltungskapazitäten Platz für insgesamt 35 Niederflurfahrzeuge bietet.

In den mehr als 20 verschiedenen Ausstellungs- und Informationsbereichen, die allesamt sehr übersichtlich und besucherfreundlich gestaltet waren, gab es dabei für Jeden etwas, wobei die Veranstalter sowohl an die interessierten Straßenbahn- und Fotofreunde, als auch an die Familien und an die jüngsten Besucher gedacht hatten.

Erstmals nach 45 Jahren kehrte auch die legendäre Straßenbahnlinie 14 für einen Tag wieder in das Magdeburger Stadtbild zurück, wobei die drei eingesetzten Triebwagen Nr. 23, 70 (Hechtwagen) und 413 (Typ „Gotha“) nebst passendem Beiwagen mit der Liniennummer „14“ und dem Fahrtziel „Schönebeck“ beschildert waren. Auch wenn ein Gothaer (Einrichtungs-) Triebwagen in alten Zeiten freilich nie nach Schönebeck gekommen war, so heiligte letztendlich der Zweck alle Mittel und kleine Kompromisse sind bekanntlich auch unter „hart gesottenen“ Straßenbahnfans zur Feier des Tages grundsätzlich einmal erlaubt. Schienenersatzverkehr hat es dagegen sicherlich auch zwischen Westerhüsen und Schönebeck zuweilen einmal gegeben.

In Ermangelung des heute schon längst nicht mehr vorhandenen Schienenweges kamen deshalb ein Do54 aus Berlin und ein H6B aus Rostock als Linie „14E“ auf dem Überlandbahnabschnitt bis in die alte Salzlandstadt Schönebeck zum Einsatz. Überraschungen gab es an diesem Tag auch im regulären Zubringerverkehr auf der SL 2 zu, wobei u. a. auch die historische „Tatra“-Garnitur 1001+1120 erstmals wieder als planmäßiger Linienzug zum Einsatz kam. Auch wir waren mit einem Stück Vorortbahn in Maßstab 1:87 mit von der Partie, wobei zwischen „Buckau“, „Westerhüsen“ und „Schönebeck“ gleich mehrere typische Zuggarnituren aus den Zeiten der alten „12“ und „14“ munter ihre Runden drehten.


Und noch ein runder Geburtstag ...

125 Jahre Herrenkrugbahn … 100 Jahre Vorortbahngesellschaft … 90 Jahre Strecke Buckau – Westerhüsen incl. Vorortbahndepot … 10 Jahre neuer Betriebshof Südost. Bei so vielen runden Jubiläen hätten wir doch beinahe noch etwas vergessen, aber wer denkt schon jetzt in der (fast noch) warmen Jahreszeit bereits an den nächsten Winter, wo doch dieses Thema traditionsgemäß erst wieder im Info-Blatt Monat Dezember auf der Agenda steht.

In diesem Jahr werden nämlich unsere drei Vorbau-Schneepflüge 100 Jahre alt – wenn auch nicht wirklich, da sie ja tatsächlich erst Mitte der 80er aufgebaut wurden. Aber immerhin: Die fahrbaren Untersätze nebst Rahmen und Speichenrädern stammen aus dem Jahre 1911 und befanden sich einst unter den vierachsigen Herrenkrug-Beiwagen Nr. 275 und 277 … und da darf man zum 100. Geburtstag durchaus schon einmal gratulieren.


Terminvorschau 2011 / 2012

21./23.10. Magdeburg: Modellbahnausstellung im ArtDepot
28./30.10. Berlin: Modellbahnausstellung AG Weinbergsweg

10.12. Vereinsabend / Jahresabschluss MSF e. V. **
10./12.02.12 Magdeburg: Modellbahnausstellung in Cracau
19./22.04.12 24. AHN-Tagung in Düsseldorf
02./03.06.12 Kleine Straßenbahn ganz groß in Jena
16./17.06.12 Frankfurt/Main Sommerfest in Schwanheim
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Fett Ausstellungen mit vsl. Teilnahme der Magdebg. Straßenbahnfreunde.
** Auf Grund von Ausstellungsterminen und Feiertagen finden einige Vereinsabende abweichend am ersten oder dritten Freitag im Monat statt.
Die Jahresabschlussveranstaltung wird vsl. an einem Sonnabend stattfinden.

Arbeitstage im Hafen

Unsere Arbeitstage im Hafen finden regelmäßig Montags ab 16.30 Uhr und Sonnabends ab 14.00 Uhr statt. An den beiden letzten Oktoberwochenenden finden wegen den geplanten Modellbahnausstellungen an den Sonnabenden vsl. keine Arbeitstage statt.

Ansprechpartner:

- Michael Menz Tel.: 0391/ 727 3748 oder 0171/ 622 52 85
- Jörg Lahn Tel.: 0162/ 98 76 175
- Christoph Rudhard Tel.: 0511/ 286 2065

Das Infoblatt gibt der Vorstand der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V. heraus.
Das nächste Infoblatt erscheint zum Vereinsabend am 10.12.2010.
Textbeiträge: Christoph Rudhard
Layout / Druck und Gestaltung: Michael Menz

Onlineversion der Ausgabe: Andreas Kanter